Bürgerinfo LANDKREIS BÖRDE

Vorlage - 0564/30/2023  

 
 
Betreff: Vergleichsvorschlag des Verwaltungsgerichts Magdeburg zu Geflügelfleischuntersuchungsgebühren
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Einreicher:Schulz, Marten amt. Amtsleiter Recht
Mages, Rüdiger Amtsleiter Gesundheit und Verbraucherschutz
Baier, Uwe Dezernent 4
Federführend:Rechtsamt Bearbeiter/-in: Dorendorf, Claudia
Beratungsfolge:
Kreisausschuss Entscheidung
14.06.2023 
ordentliche Sitzung des Kreisausschusses ungeändert beschlossen  (0564/30/2023)
Anlagen:
Anlage 1 - Vergleichsvorschlag des Verwaltungsgerichts Magdeburg
Anlage 2 - OVG-Beschluss vom 18.09.2003 - 2 L 113/02

Verfahrensbeteiligte:

 

 

nicht erforderlich

erforderlich

zugestimmt

nicht zugestimmt

zuständiger Justitiar

 

 

 

Beschlussvorschlag:

Der Kreisausschuss beschließt, den vom Verwaltungsgericht Magdeburg unterbreiteten Vergleichsvorschlag in Höhe von 18.139,28 € abzulehnen.

 


Sachdarstellung, Begründung:

Nach hiesiger Rechtsauffassung kann dem Landkreis Börde aus nachfolgenden Gründen nicht an einer vergleichsweisen Beilegung des Rechtsstreits gelegen sein. Der Landkreis erfüllt die Aufgabe der Geflügelfleischuntersuchung im Herkunftsbetrieb im übertragenen Wirkungskreis für das Land. Dieses hat nach dem Äquivalenzprinzip dem Landkreis für die Aufgabenerfüllung die erforderlichen finanziellen Mittel bereitzustellen. Dies geschieht im Wege der vom Land erlassenen allgemeinen Gebührenordnung (AllGO LSA). Die Gebühren daraus stehen dem Landkreis zu.

 

Der Gebührentatbestand der AllGO LSA Tarifstelle 143 Ziffern 1.6.1 und 7.1 in der Fassung vom 29.08.2014 (GVBl. LSA 2014, 408) war jedoch aufgrund des Urteils des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 27.11.2019 im Verfahren Gräfendorfer Geflügel- und Tiefkühlfeinkost GmbH ./. Landkreis Börde (Az.: 7 A 502/18 MD); bestätigt durch den Beschluss des OVG LSA (Az.: 3 L 14/20) vom 30.06.2020 als nichtig bewertet worden. Die Refinanzierung der vom Landkreis Börde wahrgenommenen Aufgabe der Geflügelfleischuntersuchungen im Herkunftsbetrieb konnte daher nicht auf der Grundlage der AllGO LSA erfolgen. Der Schaden für den Landkreis für den Zeitraum vom 15.07.2015 bis zum 30.06.2020 beläuft sich auf 36.278,56 EUR.

 

Unter Buchstabe c) der Verfügung gibt das Gericht zu bedenken, dass diese Forderung ggf. nicht in dem Umfang entstanden wäre, weil den Landkreis möglicherweise ein Mitverschulden am Eintritt der Verjährung treffe. Dem kann diesseitig nicht gefolgt werden. Denn im ersten Absatz unter Buchstabe c) führt das Gericht selbst aus, dass ohne geltendes Kostenrecht keine Kosten haben erhoben werden dürfen. Auch sei die Kostenerhebung realistisch gesehen nicht durch Erlass eines rückwirkenden Gebührentatbestandes nachholbar, weil ein solcher voraussichtlich nicht vor 2024 in Kraft trete und somit Forderungen rückwirkend ab dem Zeitraum ab 15.07.2015 sogleich verjährt wären. Einer Reduzierung der Forderung des Landkreises um die Hälfte wie vom Gericht unter d) vorgeschlagen kann daher nicht zugestimmt werden.

 

Soweit das Gericht der Forderung des Landkreises auf Ausgleich des ihm entstandenen Schadens in Höhe von 40.868,41 EUR für den Zeitraum 01.07.2020 bis 30.06.2021, keine Erfolgsaussichten beimisst (d in Verbindung mit b)) weil das Land nach Meinung des Gerichts rückwirkend ab dem 30.06.2020 die 12. Verordnung der AllGO LSA Tarifstelle 143 Ziffer 1.6. (GVBl. LSA 2022, 41) erlassen hat und insoweit (zumindest formell) in zulässiger Weise rückwirkend die Geflügelfleischuntersuchungen im Herkunftsbetrieb unter Kostenpflicht gestellt habe, kann dem nicht gefolgt werden. Der Landkreis hat die Gebühren, die nach Meinung des Gerichts zumindest formell rechtmäßig erhoben werden dürfen (in Höhe von 0,002 EUR/pro Tier), durch Bescheid vom 10.05.2023 erhoben, da die Erhebung noch nicht verjährt ist. Gegenüber den zahlungspflichtigen Firmen (Gräfendorfer Geflügel- und Tiefkühlfeinkost GmbH und Astenhofer…GmbH) belaufen sich diese Kosten für den Zeitraum 01.07.2020 bis zum 31.06.2021 auf insgesamt 4.329,70 EUR. Ob die Gebührenbescheide bestandskräftig werden, ist offen, da die Widerspruchsfrist erst im Juni 2023 abläuft.

Der Differenzbetrag zur kostendeckenden Gebührenhöhe beläuft sich hingegen auf 36.538,71 EUR (40.868,41 EUR 4.329,70 EUR).

 

Dem Landkreis entstanden also erheblich höhere Kosten für die Durchführung der Untersuchungen im Herkunftsbetrieb als mit der Gebühr eingenommen wird. Fakt ist daher, dass die rückwirkend in Kraft gesetzte Gebühr von 0,002 EUR/je Tier die Kosten der Untersuchung nicht deckt und das Land bislang keine Kalkulation für den Gebührentatbestand vorgelegt hat. Es sind jedoch nach dem Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip kostendeckende Gebühren zu erheben. Laut EU-Verordnung 2017/625 unter Anhang IV Kapitel II Ziffer I e) erster Unterpunkt findet sich eine Gebühr für die amtliche Kontrolle in Schlachtbetrieben in Höhe von 0,005 EUR/je Haus- und Perlhuhn, die mit derjenigen der amtlichen Kontrolle von Schlachtgeflügel im Herkunftsbetrieb wie in diesem Fall korrespondieren dürfte, da nach Art. 5 der delegierten Verordnung (EU) 2019/624 die amtlichen Untersuchungen auch im Herkunftsbetrieb erfolgen können.

 

Eine Gebühr für die Kontrolle im Herkunftsbetrieb ist zwar explizit bislang weder EU rechtlich noch landesrechtlich geregelt. Dennoch besteht nach hiesiger Rechtsauffassung die Möglichkeit eines Analogieschlusses bei teleologischer Auslegung der beiden genannten EU Verordnungen auf die hier vorliegende Fallkonstellation. Darüber hinaus wäre eine rückwirkend in Kraft gesetzte Gebühr, die nicht dem Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip entspricht, rechtswidrig. Denn die Rückwirkung des vom Land für den Zeitraum 01.7.2020 bis 30.06.2021 in Kraft gesetzten Gebührentatbestandes verstößt nach hiesiger Rechtsauffassung gegen § 4 AllGO LSA.

 

Nach § 4 AllGO LSA vom 10.Oktober 2012 (GVBl. LSA S.336) in der seit dem 27.10.2012 geltenden Fassung werden für Amtshandlungen, die vor Inkrafttreten dieser Verordnung abgeschlossen wurden, und Benutzungen und Leistungen im Sinne des § 1 Abs. 1 AllGO LSA die vor Inkrafttreten dieser Verordnung bewirkt wurden, Gebühren und Pauschbeträge für Auslagen vorbehaltlich besonderer Regelungen nach bisherigem Recht erhoben.

 

Da das bisherige Recht zur Erhebung der Gebühr für die Geflügelfleischuntersuchung im Herkunftsbetrieb für nichtig erklärt wurde, kann schlechterdings keine Erhebung nach bisherigem Recht erfolgen. Eine rückwirkende Inkraftsetzung der nicht kostendeckenden und nicht dem Äquivalenzprinzip entsprechenden Gebühr von 0,002 EUR/je Tier kann daher nach hiesiger Rechtsauffassung - entgegen der vom Gericht geäerten Meinung - nicht rechtmäßig sein. Zur Problematik der rückwirkenden Inkraftsetzung eines Gebührentatbestandes hat sich auch das OVG LSA in seinem Beschluss vom 18.09.2003 - 2 L 113/02 dahingehend geäert, dass mangels gültiger Rechtsgrundlage in einem bestimmten Zeitraum keine Gebühren erhoben werden durften (Anlage 2). So liegt der Fall auch hier.

 

Dementsprechend ist soweit der Gebührenbescheid bestandskräftig werden sollte (auch wenn er rechtswidrig sein sollte) der Unterschiedsbetrag in Höhe von 36.538,71 EURr den Zeitraum 01.07.2020 bis 30.06.2021 vom Land gegenüber dem Landkreis Börde auszugleichen, da insoweit eine Unterdeckung besteht, die gegen das Äquivalenz- und das Kostendeckungsprinzip verstößt. Insoweit besteht ein Anspruch des Landkreises auf Folgenbeseitigung gegen das Land zumindest in Höhe des Differenzbetrages, wenn der Gebührenbescheid vom 10.05.2023 bestandskräftig werden sollte.

 

Der Vergleichsvorschlag des Gerichts beliefe sich nur auf einen Betrag zugunsten des Landkreises in Höhe von 18.139,28 EUR vorbehaltlich der Zustimmung des Landes. Hinzu käme der Großteil der Gerichtskosten (ca. 75 %), die der Landkreis zu tragen hätte.

Die Erfolgsaussichten sind jedoch nach hiesiger Rechtsauffassung wenn nicht vor dem VG Magdeburg so doch beim OVG des Landes Sachsen-Anhalt durchaus realistisch.

Dementsprechend würde dem Landkreis der Gebührenausfall in voller Höhe zustehen also 36.278,56 EUR + 36.538,71 EUR = 72.817,27 EUR, wobei dem Landkreis auch keine Gerichtskosten auferlegt würden. Diese hätte das Land vollumfänglich zu tragen.

 

Hinzu kommt, dass bislang eine entsprechende Gerichtsentscheidung fehlt und die Sache grundsätzliche Bedeutung sowohl für den Landkreis Börde als auch alle anderen Landkreise in Sachsen-Anhalt hat. Ginge der Landkreis einen Vergleich ein, erhielte er keine Gerichtsentscheidung, die sich mit der Rechtsfrage auseinandersetzt, inwieweit das Land berechtigt ist, ckwirkend nicht kostendeckende Gebührenr die von den Landkreisen für das Land durchgeführte Aufgaben festzusetzen und damit offen gegen das Äquivalenz- und Kostendeckungsprinzip zu verstoßen.

 

Es kann schlicht nicht sein, dass die Landkreise dann mit einer stetigen Unterdeckung der Finanzierung durch das Land dessen Aufgaben erfüllen sollen.

 

Daher sollte der Landkreis in diesem Verfahren einen Vergleichsabschluss ablehnen und auf eine Entscheidung des Gerichts in der Sache bestehen.

 

 


Finanzielle Auswirkungen:

 

Ja

Nein

he der gesamten finanziellen Auswirkungen:

ca. 2.500,00 €

Produkt:

11143

Planmäßig: Die erforderlichen Mittel sind im Produkt eingeplant.

Überplanmäßig: Die erforderlichen Mittel sind teilweise im Produkt eingeplant, eine Deckung erfolgt durch:

Außerplanmäßig: Die erforderlichen Mittel sind nicht eingeplant.

Erläuterungen: Verfahrenskosten

 

 

Personelle Auswirkungen:

 

Ja

Nein

Erläuterungen:

 

 


Anlagen:

Anlage 1 - Vergleichsvorschlag des Verwaltungsgerichts Magdeburg

Anlage 2 - OVG-Beschluss vom 18.09.2003 2 L 113/02

 

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Anlage 1 - Vergleichsvorschlag des Verwaltungsgerichts Magdeburg (1698 KB)    
Anlage 2 2 Anlage 2 - OVG-Beschluss vom 18.09.2003 - 2 L 113/02 (2758 KB)