Bürgerinfo LANDKREIS BÖRDE

Vorlage - 0DI/313/2006  

 
 
Betreff: Kommunalfinanzen Entwurf eines Haushaltsstrukturgesetzes 2007 Überprüfung der verfassungsgemäßen Finanzausstattung der Landkreise nach Art. 88 Abs. 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Einreicher:Bredthauer
Federführend:Dezernat I Bearbeiter/-in: Bredthauer, Dietrich
Beratungsfolge:
4. WP Kreisausschuss LK Ohrekreis Vorberatung
04.10.2006 
22. ordentliche Sitzung des Kreisausschusses ungeändert beschlossen   
4. WP Kreistag Ohrekreis Entscheidung
11.10.2006 
12. ordentliche Sitzung des Kreistages Ohrekreis ungeändert beschlossen  (0DI/197/2006)

1

 

 

1.   Der Kreistag lehnt die von der Landesregierung geplanten Kürzungen im kommunalen Finanzausgleich sowie eine kommunale Beteiligung an den Aufwendungen des Landes für die überörtliche Sozialhilfe strikt ab. Die damit einhergehenden Einnahmekürzungen und Ausgabesteigerungen können durch den Landkreis Ohrekreis ab 2007 nicht ausgeglichen werden, zumal gleichzeitig die Kosten für Unterkunft und Heizung nach SGB II erheblich steigen und Mehrbelastungen aus der Umsetzung der Kreisgebietsreform entstehen.

 

2.   Der Kreistag hat daher erhebliche Zweifel an der verfassungsgemäßen Finanzausstattung des Landkreises Ohrekreis nach Art. 88 Abs.1 der Landesverfassung und beauftragt die Verwaltung, in enger Abstimmung mit dem Landkreistag Sachsen-Anhalt die Erfolgsaussichten einer möglichen Verfassungsbeschwerde des Landkreises Ohrekreis gegen das Haushaltsstrukturgesetz 2007 zu prüfen.

 

3.   Im Falle einer positiven Bewertung der Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde wird der Landrat berechtigt, für den Landkreis Ohrekreis im Einvernehmen mit dem Landkreistag Sachsen-Anhalt e.V. und anderen hierzu bereiten Landkreisen gegen das Haushaltsstrukturgesetz 2007 in Gänze oder in Teilen Verfassungsbeschwerde zu erheben. Der Landrat wird verpflichtet, den Kreisausschuss und den Kreistag hierüber zu unterrichten.

 

Sachdarstellung, Begründung:

Sachdarstellung, Begründung:

 

Der von der Landesregierung beschlossene Entwurf eines Haushaltsstrukturgesetzes 2007 bewirkt erhebliche Einschnitte in die Finanzausstattung der Gemeinden und Landkreise im Land Sachsen-Anhalt. Der Gesetzesentwurf enthält zahlreiche Änderungen des Finanzausgleichsgesetzes (FAG).

 

 

Aus Sicht der Landkreise sind folgende Regelungen bedeutsam:

 

-          Absenkung der Beteiligungsquote an der Finanzausgleichsmasse (§ 2 Abs. 2 FAG) von bisher 23,82126 v. H. auf 22,7 v. H..

Dies entspricht im Jahr 2007 einer Kürzung von 63 Mio. € gegenüber der geltenden Rechtslage.

 

-          Die den Landkreisen und kreisfreien Städten zugewiesenen Mittel für die Aufnahme von Personen nach § 1 Abs.1 Satz 1 des Aufnahmegesetzes (§ 4 Nr. 5 FAG) werden auf einen Festbetrag von 35 Mio. € reduziert.

Hieraus ergeben sich Mindereinnahmen von rd. 21 Mio. €.

 

-          Der gemeindliche Familienleistungsausgleich (§ 14 FAG) wird ersatzlos gestrichen
(= - 50 Mio. €) und entfällt damit (ab 2009) als Bemessungsgrundlage für die Kreisumlage.

Hierdurch entstehen den Landkreisen Mindereinnahmen von rd. 15 Mio. €.

 

-          Die Landkreise und kreisfreien Städte sollen sich mit 9,6 % an den jährlichen Aufwendungen des Landes für die überörtliche Sozialhilfe beteiligen.

Dies entspricht einer Kostenbelastung von zunächst rd. 37 Mio. €.

 

 

Nach der geltenden Rechtslage könnte der Landkreis Ohrekreis wegen der ab 2007 stark ansteigenden Steuereinnahmen des Landes mit Mehreinnahmen rechnen.

 

Durch die beabsichtigten FAG-Kürzungen werden diese Mehreinnahmen fast vollständig auf das Niveau des Jahres 2006 abgeschöpft.

 

Gleichzeitig ergeben sich allerdings für alle Landkreise und kreisfreien Städte erhebliche Mehrbelastungen bei den kommunalen Kosten für die Umsetzung des SGB II. Nach Angaben des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit könnten diese Ausgaben in 2006 rd. 70 Mio. € über dem Wert des Vorjahres liegen. Für 2007 ist außerdem noch völlig ungeklärt, ob und welcher Höhe sich der Bund weiterhin an den Kosten der Kommunen beteiligt.

 

Daneben erfordert die termingerechte Umsetzung der Kreisgebietsreform zum 01. Juli 2007 Mehrausgaben, die seitens des Landes nicht gesondert ausgeglichen worden sind und daher aus den allgemeinen Deckungsmitteln der Landkreise zu finanzieren sind.

 

Nach derzeitigen Berechnungen der Kreisverwaltung führen die beabsichtigten FAG-Änderungen für den Landkreis Ohrekreis zu einem Fehlbetrag in Höhe von mindestens 1,85 Mio. €; hierbei sind fusionsbedingte Mehrausgaben noch nicht berücksichtigt.

 

 

 

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Die vorgesehenen Einnahmekürzungen, Kostenverschiebungen und Mehrbelastungen können vom Landkreis Ohrekreis nicht über Mehreinnahmen - insbesondere bei der Kreisumlage - oder Minderausgaben bei anderen Haushaltsstellen ausgeglichen werden. Die Folge ist deshalb ein weiterer Anstieg der bestehenden Fehlbeträge, der kommunalaufsichtliche Maßnahmen nach sich zieht und zur Aushöhlung der kreislichen Selbstverwaltung führt.

 

Die besondere Situation der Landkreise hat die Landesregierung in dem Entwurf ihres Haushaltsstrukturgesetzes 2007 weitgehend unberücksichtigt gelassen, indem sie sich nur einen ungenauen Überblick über den Finanzbedarf der einzelnen kommunalen Gruppen verschafft hat. Damit genügt der Gesetzentwurf nicht den verfassungsmäßigen Anforderungen, die der Thüringer Verfassungsgerichtshof in seiner FAG-Entscheidung vom 21. Juni 2005 festgestellt hat und zu denen sich die Koalitionsparteien noch in der Koalitionsvereinbarung für die fünfte Legislaturperiode bekannt haben.

 

Nach Artikel 88 Abs.1 der Landesverfassung sorgt das Land dafür, dass die Kommunen über Finanzmittel verfügen, die zur angemessenen Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind. Angesichts der bestehenden schwierigen Finanzsituation des Landkreises Ohrekreis und den sich abzeichnenden Entwicklungen bestehen berechtigte Zweifel daran, ob das Land dieser verfassungsmäßigen Verpflichtung ab 2007 noch gerecht wird. Soweit der Landtag den Entwurf des Haushaltsstrukturgesetzes 2007 nahezu unverändert beschließt, sind deshalb in enger Abstimmung mit dem Landkreistag Sachsen-Anhalt die Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde zu prüfen.

 

 

 

 

 

 

Anmerkung :     Der vorstehende Beschlussvorschlag nebst Begründung ist im Wesentlichen durch den Landkreistag Sachsen-Anhalt e.V. erarbeitet worden. Die Landräte sind übereingekommen, den Beschlussvorschlag den Kreistagen zur Beratung und Beschlussfassung vorzulegen (s. beigefügte Presseartikel).