Bürgerinfo LANDKREIS BÖRDE

Vorlage - 0317/53/2021  

 
 
Betreff: Information über die Prüfung der Gründung von medizinischen Versorgungszentren (MVZ)
Status:öffentlichVorlage-Art:Informationsvorlage
Einreicher:Mages, Rüdiger Amtsleiter Gesundheit und Verbraucherschutz
Michelmann Dezernent 2
Federführend:Amt für Gesundheit und Verbraucherschutz Bearbeiter/-in: Mages, Rüdiger
Beratungsfolge:
Ausschuss für Bildung, Kultur und Soziales Informationspflicht
03.11.2021 
ordentliche Sitzung des Ausschusses für Bildung, Kultur und Soziales zur Kenntnis genommen   
Kreisausschuss Informationspflicht
24.11.2021 
ordentliche Sitzung des Kreisausschusses    
Kreistag Landkreis Börde Informationspflicht
01.12.2021 
ordentliche Sitzung des Kreistages des Landkreises Börde zur Kenntnis genommen   

Verfahrensbeteiligte:

 

 

nicht erforderlich

erforderlich

zugestimmt

nicht zugestimmt

zuständiger Justitiar

 

 

 

Beschlussvorschlag:

 

-entfällt-


Sachdarstellung, Begründung:

 

Beschluss der ordentlichen Sitzung des Kreistages des Landkreises Börde am 31.03.2021:

 

Der Kreistag beschloss auf Antrag der AFD-Fraktion folgende Teilaufgabe zur medizinischen Versorgung im Landkreis Börde:

 

Der Landrat und die Verwaltung sollen bis Ende des Jahres 2021 prüfen, inwieweit kommunale Gemeinschaftspraxen, sogenannte Medizinische Versorgungszentren in kommunaler Trägerschaft nach dem Versorgungsstärkungsgesetz entwickelt werden können.

 

MVZ in kommunaler Trägerschaft – Überlegungen im Vorfeld einer MVZ-Gründung:

 

Medizinische Versorgungszentren (MVZ) sind im Rahmen ihrer Zulassung als eigenständige Leistungserbringer ein Teil der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung. Eine gesetzliche Definition von MVZ erfolgt in § 95 SGB V. Demnach sind MVZ „ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte, die in das Arztregister nach Absatz 2 Satz 3 eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind.“

 

MVZ können u.a. von zugelassenen Ärzten oder von zugelassenen Krankenhäusern gegründet werden. Mit Inkrafttreten des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes im Jahr 2015 wurde ebenfalls Kommunen die Gründung von MVZ gesetzlich erlaubt. Im Rahmen dieser Gesetzgebung wurde auch die vorgeschriebene Interdisziplinarität aufgehoben, so dass sich neben fachübergreifenden auch fachgleiche MVZ gründen können.

 

Im Rahmen der MVZ-Gründung sind grundsätzlich Kenntnisse über aktuelle Rechtsprechungen, Gesetzgebungen und Bestimmungen in den Bereichen Gesundheit, Investitions- und Steuerrecht, Geräteeinsatz, lokale Fördermöglichkeiten etc. erforderlich.

 

Die elementare Voraussetzung für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ist die Beantragung der Zulassung beim Zulassungsausschuss der KV LSA.

 

Im Rahmen der Zulassung sind folgende Grundvoraussetzungen erforderlich:

 

  • Nachweis Gründungsfähigkeit
  • Wahl einer zulässigen Rechtsform
  • Vorhandensein von mindestens zwei Vertragsarztsitzen
  • Einsatz einer ärztlichen Leitung; bei Bedarf kooperative Leitung möglich

 

Die Bedarfsplanung darf der Zulassung nicht entgegenstehen. Entsprechend ist die vertragsärztliche Bedarfsplanung und der regionale Versorgungsgrad zu beachten. Somit ist ein Planungsbereich notwendig, in dem mindestens zwei unbesetzte Vertragsarztsitze für die vorgesehene Fachrichtung vorhanden sind (Vertragsärzte bringen ihren Arztsitz bereits mit).

 

Bei Sperrung des Planungsbereiches kann ein Arztsitz generiert werden, wenn u.a. der Vertragsarzt auf seine Zulassung zu Gunsten des MVZ verzichtet und dort tätig werden will.

 

Im Nachfolgenden werden einzelne Vorüberlegungen und Voraussetzungen für eine MVZ-Gründung skizziert, die im Vorfeld bedacht und berücksichtigt werden müssen.

 

Trägerschaft und Rechtsform

 

  • Klärung der Trägerschaft – Welcher Leistungserbringer kommt neben der Kommune ebenfalls als potentieller Träger in Frage (z.B. Krankenhäuser)?
  • Bei kommunaler Trägerschaft – Gründung durch Landkreis oder Gemeinde (Interessensabfrage)
    • Unterstützung durch Landkreis, wenn eine Gemeinde die Trägerschaft übernimmt (u.a. Beratung, Bereitstellung von Informationsmaterialien etc.)
  • Auswahl einer geeigneten Rechtsform – privatrechtliche Rechtsform (GbR, PartG, eG, GmbH) oder öffentlich-rechtliche Rechtsform (Regiebetrieb, Eigenbetrieb, Anstalt des öffentlichen Rechts)
    • Bei kommunaler Trägerschaft Vorrang der öffentlichen vor den privatrechtlichen Rechtsformen (§ 129 Abs. 1 KVG LSA)
    • Kommune kann privatrechtliches Unternehmen nur gründen, wenn die Rechtsform die Haftung der Kommune auf einen bestimmten Betrag begrenzt – GmbH häufig in Betracht genommene Rechtsform, aber bedarf unbeschränkte Haftung in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft (i.d.R. durch Kommunalaufsicht keine Genehmigung, da zu risikoreich)
    • Rechtsform Eigenbetrieb oder AöR ist aufgrund der finanzwirtschaftlichen Eigenständigkeit für Gründung eines kommunalen MVZ primär zu betrachten

 

Standortanalyse

 

Im Rahmen einer Standortanalyse ist die Infrastruktur sowie die medizinische Versorgungsstruktur im Landkreis zu prüfen, um entsprechende Bedarfe ableiten zu können.

 

U.a. sind folgende Aspekte in den Blick zu nehmen:

 

  • Bevölkerungsanalyse und deren Entwicklung
    • Einwohnerzahl
    • Zusammensetzung der Bevölkerung in Bezug auf Alter, Geschlecht, sozioökonomischer Status, Gesundheitszustand/ Morbidität
    • Versorgungsbedarfe von Patienten
  • Analyse Krankenkassenstruktur
    • Krankenkassenzugehörigkeit der Bevölkerung im Landkreis
    • Vertragsangebote der Kassen wie hausarztzentrierte Versorgung beeinflussen u.a. die Leistungsnachfrage
  • Bestand ambulante ärztliche Versorgung/ Ärztebestand und deren Entwicklung
    • Altersentwicklung
    • Nachfolgebesetzung von bestehenden Arztpraxen
    • Arztdichte nach Fläche/ Einwohner-Arzt-Relation
    • Bedarfsplanung Fehlstellen in den einzelnen Planungsbereichen
  • Analyse vorhandener Wettbewerber (stationär und ambulant) und möglicher Kooperationspartner
    • Welche Leistungen werden bereits vor Ort angeboten und welche Leistungen sollten angeboten werden, um möglichst viele Patienten zu gewinnen?
  • Prüfung der räumlichen Lage
    • städtebauliche Planung berücksichtigen
    • Straßenanbindung/ Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel und deren zukünftige Entwicklung
    • zusätzliche Synergieeffekte wie Apotheken, Sanitätshäuser und sonstige Geschäfte zur Stärkung des regionalen Marktes
    • perspektivisch Standorte für MVZ-Zweigpraxen in den Blick nehmen (dürfen jedoch nur untergeordnete Rolle spielen)
  • Prüfung vorhandener Ressourcen wie Gebäude, Räumlichkeiten, Mobiliar und Technik
    • Nutzung bereits bestehender Arztpraxen, Zusammenführen von Praxen, Umbau oder Neubau
    • bauaufsichtsrechtliche Auflagen wie Barrierefreiheit, Arbeitsstättenverordnung etc. beachten
    • Flächenbedarfsanalyse

 

Kosten/ Betriebsausgaben, Einnahmen und Finanzierung

 

Ein weiterer zentraler Aspekt ist eine Analyse der zu erwartenden Kosten und Betriebsausgaben. Eine entsprechende Finanzplanung ist dabei zwingend erforderlich. Grundsätzlich sollte eine wirtschaftliche Beurteilung des geplanten Vorhabens in Form einer Kosten-Nutzen-Analyse bzw. einer Risikoanalyse erfolgen.

 

  • Kostenanalyse/ Betriebsausgaben – Investitionsplanung
    • Mögliche Kosten für Neubau oder Umbau eines MVZ
    • Kosten für den MVZ-Betrieb wie Miete, Heizung, Wasser, Strom, Instandhaltung etc.
    • Sachkosten für Ausstattung, Softwarelösungen etc.
    • Personalkosten für angestellte Ärzte, sonstiges medizinisches Personal und Verwaltungskräfte
    • Personalnebenkosten wie Weiterbildungskosten
    • Kosten für Personalakquise
    • Kosten im Rahmen der MVZ-Gründung wie z.B. Beratungskosten von Externen
    • Kosten für Versicherungsschutz wie Betriebshaftpflichtversicherung, Rechtsschutzversicherung, Versicherung gegen Einbruch, Feuer-, Wasser- und Sturmschäden, technische Versicherung etc.
  • Finanzierung über Eigen- und/ oder Fremdkapital
    • Prüfung von Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten (Förderung ggf. über KV LSA, Ministerium, Landesverwaltungsamt)
  • Kalkulation von Einnahmen
    • Leistungseinnahmen aus vertragsärztlicher und privatärztlicher Tätigkeit (Abrechnung der angebotenen Leistungen mit den zuständigen Kostenträgern)
    • Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Leistungen
  • Analyse steuerrechtlicher Aspekte/ Steuerplanung (abhängig von Rechtsformwahl)
    • Umsatzsteuer (in der Regel ärztliche Tätigkeit umsatzsteuerbefreit)
    • Gewerbesteuer
    • Einkommenssteuer
    • mögliche Praxisveräußerung, -einbringung, -übergabe bedenken
  • Abschreibungsplanung

 

Fachrichtung und Personalplanung

 

  • Entscheidung über Fachrichtung des MVZ – fachübergreifend oder arztgruppengleich
    • abhängig von der Bedarfsplanung, d.h. dem Versorgungsgrad einer Fachgruppe in einer Planungsregion
    • abhängig vom Versorgungsbedarf der Patienten – Konzentration auf Gesamtbevölkerung oder bestimmte Zielgruppe/ Schwerpunktsetzung
  • Klärung der Tätigkeitsform – angestellten und/ oder vertragsärztliches Verhältnis
    • bei kommunal geführten MVZ in der Regel Angestelltenverhältnis – u.a. geringeres wirtschaftliches Risiko für Ärzte, Attraktivität für junge Mediziner (kein langfristig festgelegter Praxisstandort, flexiblere Arbeitszeitgestaltung, Entlastung von Verwaltungsaufgaben)
    • Anstellung bedarf im Vorfeld Genehmigung durch Zulassungsausschuss (Anstellungsumfang ergibt sich aus Bedarfsplanungsrichtlinien)
    • Prüfung Vertragsausgestaltung hinsichtlich eines Beschäftigungsvertrages
  • Einsatz ärztliche LeitungSteuerung der Betriebsabläufe und Gesamtverantwortung gegenüber der KV durch ärztlichen Leiter
    • Angestelltenverhältnis oder Vertragsarzt
    • Eintrag im Arztregister
    • Beschäftigungsverhältnis im MVZ mindestens 10 bis 20 Wochenstunden
    • Genehmigung durch Zulassungsausschuss der KV LSA
    • bei gemeinsamer Tätigkeit verschiedener ärztlicher Berufsgruppen kooperative Leitung möglich
  • Personalbeschaffung – Ärzte, sonstiges medizinisches Personal, Verwaltungskräfte
    • Anwerbung (Nachwuchsärzte, Zusammenschluss bestehender Ärzte etc.)
    • Schaffung von Anreizen wie z.B. Festgehalt plus leistungsabhängige Vergütung; Anreize ggf. durch Landkreis, Gemeinden, Land, Bund
    • Perspektivisch MVZ als Ausbildungsstätte hinsichtlich frühzeitiger Fachkraftbindung
  • Erstellung Personalentwicklungskonzept; Konzept Nachbesetzungsverfahren (erfolgt Nachbesetzung innerhalb einer bestimmten Frist nicht, kann Arztstelle „eingezogen“ werden und das MVZ im schlimmsten Fall die Zulassung verlieren)

 

Netzwerke/ Kooperationen, Öffentlichkeitsarbeit

 

  • Kooperationspartner gewinnen wie Universitäten, Krankenhäuser, andere Arztpraxen, Apotheken, Pflegeeinrichtungen, Sanitätshäuser, ÖPNV, andere Kommunen/ Landkreise
  • Zusammenarbeit mit KV LSA, Ministerium
  • Erfahrungsaustausch mit anderen MVZ
  • Marketing – Medienarbeit, Internetauftritt, Flyer, Patienteninformationen etc.

 

Sonstiges wie Controlling, Qualitätsmanagement, Datenschutz, IT-Aspekte

 

Des Weiteren muss u.a. berücksichtigt werden, dass die laufenden Prozesse überwacht und die wirtschaftlichen Entwicklungen gesteuert werden müssen. Ein QM-System muss aufgebaut, regelmäßig überprüft und weiterentwickelt werden. Ebenfalls sind verschiedene Aspekte im Bereich IT sowie der Daten- und Patientenschutz zu berücksichtigen.

 

Fazit:

 

Voraussetzungen

 

  • Die Gründung eines Medizinischen Versorgungszentrums in kommunaler Trägerschaft ist aus rechtlicher Sicht grundsätzlich möglich.

 

  • Aufgrund der Komplexität ist im Rahmen der MVZ-Gründung ein interdisziplinärer Blick erforderlich, der verschiedene Fachrichtungen vereint.

 

  • Rahmenbedingungen und notwendigen Voraussetzungen wie eine personelle und finanzielle Absicherung eines solchen Vorhabens müssen gegeben sein.

 

Zuständigkeit

 

  • Landkreis Börde ist für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung weder verantwortlich noch zuständig. Zuständiger Verantwortungsträger ist die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt.

 

 

Erfolgsaussichten

 

  • Die Gründung eines MVZ löst die Problemstellung nicht, denn der kausale Zusammenhang zwischen ärztlichem Versorgungsgrad und tatsächlich zur Verfügung stehenden, ausgebildeten Ärzten ist offensichtlich. Es fehlen Ärzte.

 

Um die ärztliche Versorgung sicherzustellen, unternimmt die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt (KVSA) auf Landesebene zahlreiche Maßnahmen. Dabei setzt die KV bereits im Studium mit einer finanziellen und strukturellen Förderung an. Mit einem Stipendium-Programm unterstützt die KVSA beispielsweise die Ausbildung von angehenden Ärzten, welche bereit sind nach der Ausbildung in unterversorgten Regionen Sachsen-Anhalts zu praktizieren, mit bis zu 700 € im Monat. Darüber hinaus sind Weiterbildungen sowie die Praxisgründung weitere Förderschwerpunkte. Die nachfolgende Abbildung stellt eine Übersicht über die einzelnen Maßnahmen dar (Wenger, KVSA 2019).

 

 


Finanzielle Auswirkungen:

 

Ja

Nein

Höhe der gesamten finanziellen Auswirkungen:

 

Produkt:

 

Planmäßig: Die erforderlichen Mittel sind im Produkt eingeplant.

Überplanmäßig: Die erforderlichen Mittel sind teilweise im Produkt eingeplant, eine Deckung erfolgt durch:

Außerplanmäßig: Die erforderlichen Mittel sind nicht eingeplant.

Erläuterungen:

 

 

Personelle Auswirkungen:

 

Ja

Nein

Erläuterungen:

 

 


Anlagen:

 

-keine-