Bürgerinfo LANDKREIS BÖRDE

Vorlage - 2015/51/0183  

 
 
Betreff: Zumutbarkeit im Rahmen der Sicherung des Rechtsanspruchs auf einen Platz in einer Tageseinrichtung oder Tagespflegestelle im Landkreis Börde
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Einreicher:Grummt FDL Jugend
Herzig Fachbereichskoordina- torin
Federführend:FD Jugend Bearbeiter/-in: Hallmann, Ines
Beratungsfolge:
Jugendhilfeausschuss Entscheidung
31.08.2015 
ordentliche Sitzung des Jugendhilfeausschusses ungeändert beschlossen  (2015/51/0183)

Beschlussvorschlag:

Der Jugendhilfeausschuss beschließt im Rahmen der Aufgabe der Rechtsanspruchsicherung gemäß § 3 Abs. 5 KiFöG die nachfolgenden Zumutbarkeitskriterien als Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs:

 

  1. Sofern mind. ein Elternteil oder ein an seine Stelle tretender Dritter mobil ist (z.B. PKW vorhanden und nutzbar), wird eine Entfernung von höchstens 10 Kilometern (Entfernungskriterium) als zumutbar angesehen.
  2. Ist hingegen kein Elternteil oder ein an seine Stelle tretender Dritter mobil, ist eine Fahrzeit von max. 30 Minuten mit dem Öffentlichen Personennahverkehr (Zeitkriterium) zumutbar.

 

 


Sachdarstellung, Begründung:

 

 

Allgemeines:

 

Mit der Novellierung des Kinderförderungsgesetzes (KiFöG) zum 01.08.2013 richtet sich der Rechtsanspruch eines Kindes auf einen ganztägigen Betreuungsplatz nach § 3 Abs. 1,4 KiFöG nunmehr gegen den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe und somit gegen den Landkreis Börde. Der Anspruch gilt gem. § 3 Abs. 5 KiFöG als erfüllt, wenn ein Platz in einer für Kinder zumutbar erreichbaren Tageseinrichtung oder in einer Tagespflegestelle angeboten wird. Zwar sind im Landkreis flächendeckend Tageseinrichtungen vorhanden, jedoch reichen die Plätze in einigen Regionen aufgrund der anhaltend hohen Inanspruchnahme sowie des gegenwärtigen positiven Geburtenniveaus nicht aus. In diesen Fällen können lediglich Ausweicheinrichtungen angeboten werden.

 

Rechtlich ist eine zumutbar erreichbare Tageseinrichtung nicht definiert; auch an einer entsprechenden Kommentierung mangelt es. Mithin hat sich die Verwaltung bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes an der bisher ergangenen Rechtsprechung orientiert.

 

Als unverzichtbar wird es angesehen, bei den aufgestellten Kriterien zwischen mobilen und nichtmobilen Eltern bzw. an ihre Stelle tretende Dritte zu unterscheiden.

 

 

Zu 1.Entfernungskriterium

 

Eine Entfernung von bis zu 10 Kilometern wird als zumutbar angesehen.

 

Hier gilt die Entfernung, die auf öffentlichen Straßen in direkter Fahrt zurückzulegen ist jeweils vom gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes bis zur entsprechenden Tageseinrichtung bzw. Tagespflegestelle. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass mind. ein Elternteil oder ein an seine Stelle tretender Dritter auch ein Fahrzeug besitzt und dieses als solches auch nutzbar ist.

 

Zugrunde gelegte Urteile:

a)      Der Landkreis Börde ist ein Flächenlandkreis, daher kann hier nicht mit den gleichen Maßstäben wie beispielsweise in der Stadt Köln gemessen werden (vgl. VG Köln Urteil vom 18.07.2013, 19 L 877/13  Dort wären fünf Kilometer nicht mehr zumutbar).

 

b)      Allerdings ist der Landkreis Börde vergleichbar mit dem Landkreis Verden (vgl. VG Stade 4. Kammer, Beschluss vom 15.08.2002, 4 B 1386/02  Demnach sind sechs Kilometer zumutbar). Ob Entfernungen von über sechs Kilometer noch zumutbar wären, wurde in dem Verfahren nicht geprüft.

 

c)       Eine weitere Entfernung ist jedenfalls zumutbar, wenn die Einrichtung auf dem Arbeits-weg eines Elternteils liegt (vgl. OVG Lüneburg 4. Senat, Beschluss vom 22.12.2008, 4 ME 326/08). In Anwendung des Entfernungskriteriums wären somit Wegstrecken von über 10 Kilometern zulässig, sofern sie auf dem Weg zur Arbeitsstelle liegen und die Abweichung/ der Umweg gegenüber dem regelhaft zur Arbeitsstelle zurückzulegenden Weg 10 Kilometer nicht überschreitet.

 

 

Zu 2. Zeitkriterium:

 

Ein Zeitaufwand von 30 Minuten für eine Strecke mit dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) wird als zumutbar angesehen. Darüber hinaus muss auch eine tatsächliche Erreichbarkeit mit dem ÖPNV gewährleistet sein.

 

Hier gilt die Zeit, die verstreicht, wenn der Weg vom gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes bis zur entsprechenden Tageseinrichtung bzw. Tagespflegestelle mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden muss. Dabei beschränkt sich das Zeitkriterium nicht auf die zurückgelegte reine Fahrzeit beispielsweise mit dem Bus. Auch Zeiten für den erforderlichen Fußweg (zur Haltestelle und zur Einrichtung) sind zu berücksichtigen.

 

Zugrunde gelegte Urteile:

Im Rahmen dieses Sachverhaltes sind keine einschlägigen Urteile für den ländlichen Bereich bekannt. Deshalb wurde hilfsweise auf Urteile aus Großstädten zurückgegriffen.

a)Vgl. VG Frankfurt a. M., Urteil vom 29.08.2013, 7 L2889/13 B

Bei nichtmobilen Elternteilen besteht kein Anspruch auf einen Betreuungsplatz in einer fußläufig erreichbaren Einrichtung. Im Gegenteil, die Inanspruchnahme des öffentlichen Personennahverkehrs ist sogar mit einmaligem Umsteigen von der U-Bahn zur Straßen-bahn noch zumutbar. Voraussetzung ist, dass der Weg in 30 Minuten zurückgelegt wer-den kann. Was die Umstände des Umsteigens angeht, so ist darauf zu verweisen, dass die damit verbundenen Unbequemlichkeiten und Hindernisse täglich von Tausenden Passagieren auch mit Kinderwagen und Kleinkindern bewältigt werden müssen.

b)Vgl. VG Leipzig, Urteil vom 16.06.2011, 5 K 924/10

Der Betreuungsplatz muss in vertretbarer Zeit von der Wohnung des Kindes erreichbar sein. Dies ist der Fall, wenn der angebotene Betreuungsplatz innerhalb von höchstens einer halben Stunde von der Wohnung des Kindes erreichbar ist.