Bürgerinfo LANDKREIS BÖRDE

Auszug - Informationen zum Pflegekinderdienst  

 
 
ordentliche Sitzung des Jugendhilfeausschusses
TOP: Ö 6
Gremium: Jugendhilfeausschuss
Datum: Mo, 18.06.2018 Status: öffentlich/nichtöffentlich
Zeit: 17:00 - 19:20
Raum: - Sitzungssaal Börde I + II -
Ort: Landkreis Börde, Verwaltungsgebäude, Bornsche Straße 2, 39340 Haldensleben

Herr Melzer, Sachgebietsleiter des Sachgebietes Pflegekinder/Vormundschaften, stellt sich und seine ebenfalls anwesenden Sachbearbeiter aus dem Bereich Pflegekinderdienst – Frau Watteroth und Herrn Jakob (2 von 4 Vollzeitstellen in diesem Bereich) – vor. Seine statistischen Angaben zu den Pflegekindern/Pflegestellen und Ausführungen zu den Aufgabenbereichen sind der Anlage 3 zu entnehmen.

 

Herr Melzer berichtet, dass der Pflegekinderdienst im Jahr 2017 keine günstigen Rahmenbedingungen hatte. Von 3 Vollzeitstellen im Pflegekinderdienst war nur eine Stelle durchgängig besetzt. Es gab krankheits- und elternzeitbedingte Ausfälle. Als Ergebnis einer Organisationsuntersuchung wurde dem Bereich eine Stelle zugeführt. Seit dem 01.03.2018 sind nunmehr 4 Vollzeitstellen besetzt. Im August 2018 wird eine Kollegin in den Ruhestand gehen, deren Stelle schnellstmöglich nachbesetzt werden soll.

 

Herr Dill erkundigt sich nach den Konsequenzen, die durch die massive Nichtbesetzung entstanden sind. Herr Melzer erklärt, dass eigene Standards abgesenkt werden mussten. Frau Watteroth ergänzt, dass die Betreuungsarbeit der Pflegefamilien nicht mehr leistbar war. Es wurde versucht, mindestens einmal im Jahr ein Hilfeplangespräch durchzuführen. Eine Werbung neuer Pflegeeltern war nicht machbar. Hausbesuche wurden nur durchgeführt, wenn es brannte.

 

Frau Watteroth informiert über Grundsätzliches zum Pflegekinderdienst. Sie erklärt, was zur Inpflegenahme eines Kindes führen kann und geht dabei auch auf den rechtlichen Hintergrund hinsichtlich der Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie ein.

 

Herr Melzer erklärt, dass die elterliche Sorge der 186 Pflegekinder (Stand 18.06.2018) wie folgt verteilt ist: 53 bei den Herkunftsfamilien, 57 bei den Amtsvormundschaften/Amtspflegschaften, 76 bereits bei den Pflegeeltern.

Auf die vorab eingereichte Frage, unter welchen Umständen die Pflegeeltern die Vormundschaft bekommen, antwortet Herr Melzer, dass nach Gesprächen mit dem Sozialen Dienst unter Begleitung des Pflegekinderdienstes der Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge geprüft und ein gerichtlicher Antrag gefertigt wird. Das Gericht fordert den Pflegekinderdienst zu einer Stellungnahme auf. Die Pflegeeltern werden dann vom Gericht zum Vormund bestellt, was auch schon mal ein Vierteljahr dauern kann.

 

Herr Jakob, SB Pflegekinderdienst, antwortet auf eingereichte Fragen zum Umgangsrecht. Er macht deutlich, dass die Herkunftseltern ein Umgangsrecht lt. § 1684 Abs. 1 BGB haben. Auch Pflegeeltern haben lt. § 1626 Abs. 3 Satz 2 BGB ein Umgangsrecht. Wenn die Pflegeeltern einschätzen, dass die Umgänge mit den leiblichen Eltern den Kindern nicht bekommen bzw. zu Verhaltensauffälligkeiten führen, kommt es häufig zu Streitigkeiten, die dann vom Gericht entschieden werden müssen. Das Jugendamt ist dazu anzuhören. Es bringt sich erzieherisch und unter sozialen Gesichtspunkten zur Entwicklung des Kindes ein, weist auf weitere Möglichkeiten der Hilfe hin.

Herr Jakob erläutert den unbegleitete Umgang (kann stunden- oder auch tageweise sein) und  den begleitete Umgang in unterschiedlichen Intensitäten.  D. h., es ist noch jemand vom FD Jugend anwesend oder eine Dritte Person, die unterstützend wirken kann. Im Bereich HDL wird das vom Deutschen Kinderschutzbund geleistet.

 

Herr Zacke bedankt sich für die Ausführungen und eröffnet die Diskussion.

 

Herr Czernitzki erinnert an die vorab gestellten Frage nach den Räumlichkeiten, die kreisweit für Umgänge zur Verfügung stehen und wie die Umgänge personell und finanziell untersetzt sind.

 

Frau Schünemann erklärt, dass sich der Kinderschutzbund vorgenommen hat, das bisher Geleistete auf eine breitere Ebene zu stellen. Durch den Kinderschutzbund wurden in der Woche und auch an den Wochenenden Umgänge in Haldensleben und in einer angemieteten Wohnung in Wolmirstedt begleitet. In Zusammenarbeit mit dem Landkreis kann ab dem 01.08.2018 eine Wohnung in Wanzleben für begleitete Umgänge zur Verfügung gestellt werden, wofür auch vom Fachdienst Jugend Stunden angedacht sind. Geplant ist auch, in Oschersleben zum Ende des Jahres eine vierte Wohnung mit Unterstützung des FD Jugend einzurichten. Sie hebt die Wichtigkeit dieser Wohnungen an den einzelnen Standorten hervor und fordert auf, dass sich mehr in den Fall involvierte Sachbearbeiter des FD Jugend diese Umgänge auch mal ansehen sollten. Sie hofft, dass für die geplanten Vorhaben das nötige Personal vom FD Jugend zur Verfügung gestellt wird. Eine zusätzliche Stelle wird ab 01.08.2018 im Kinderschutzbund für diese kreisweite Aufgabe geschaffen.

 

Herr Wendt kann Herrn Czernitzki noch nicht den genauen finanziellen Betrag nennen, der zur Unterstützung bereitgestellt wird, da man sich noch in der Verhandlung über die Fachleistungsstunden befindet. Herr Czernitzki erklärt, dass ihm die Aussage reicht, dass es eine komplette Stelle sein wird.

 

Herr Dill möchte dafür appellieren, dass Frau Schmidt auch weiterhin ihre Ressourcen dem geförderten Bereich der offenen Kinder- und Jugendarbeit zur Verfügung stellt und diese zusätzliche Aufgabe aus anderen Mitteln gestemmt wird. Wenn die Vergabe öffentlicher Aufträge an einen Träger funktioniert, kann er das Vorhaben nur befürworten. In seinen Augen ist es eine perfekte Aufgabe für den Kinderschutzbund.

 

Nach der Notwendigkeit anzumietender Wohnungen befragt, erklärt Frau Schünemann, dass sie es für wichtig hält, dass Kinder mit ihren Eltern ein Familienleben zelebrieren - zusammen kochen, in separaten Räumen spielen.

 

Herr Rabe fragt nach der Tendenz hinsichtlich der Anzahl der benötigten Pflegestellen und deren Ursache. Auch möchte er wissen, welche vorherrschenden Motive es für die Übernahme von Pflegeaufgaben gibt.

Frau Watteroth sieht die Tendenz als auch das Alter der zu vermittelnden Kinder als steigend an. Als Hauptursache der Herausnahme der Kinder aus dem elterlichen Haushalt wird der Verdacht auf Kindeswohlgefährdung lt. § 8a SGB VIII gesehen. Inobhutnahmen werden nicht immer unmittelbar in eine Pflegefamilie vermittelt. Die Kinder sind oft schon über Jahre in den eigenen Familien vernachlässigt worden. Es gibt massive Mangelernährung, oft grenzt es an Verwahrlosung. Die Motivation der Pflegeeltern-Bewerber ist breit gefächert. Oft wird sie damit begründet, dass die eigenen Kinder aus dem Haus sind und man noch einmal eine Aufgabe haben möchte. Es gibt auch Pflegeelternbewerber, die von Kinderlosigkeit betroffen sind. Hier ist das Abwägen sehr schwer, da sie eigene Kinder haben möchten und oftmals nicht gut mit den Herkunftseltern zusammenarbeiten.

 

Auf Anfrage von Herrn Dill bestätigt Herr Melzer, dass das oberste Ziel des Fachdienstes Jugend darin besteht, das Zusammenleben der Kinder mit ihren leiblichen Eltern wieder zu ermöglichen. Daran arbeiten die SB Soziale Dienste des FD Jugend. Frau Watteroth ergänzt, dass im § 36 SGB VIII geregelt ist, dass Kinder nur vorübergehend in Pflegefamilien leben sollen. Es muss jedoch im Hinblick auf die Perspektive des Kindes in kürzester Zeit klar sein, ob es wieder zu den Eltern zurück geht oder in der Pflegefamilie verbleibt. Wenn bei den Eltern weiterhin die Gefahr der Kindeswohlgefährdung besteht, muss eine langfristige Perspektive erarbeitet werden, zu der der Soziale Dienst auch stehen muss.

 

Herr Czernitzki erinnert an seinen vorab gestellte Fragenkomplex zur Zuordnung: Unter welchen Voraussetzungen wird das Sozialamt tätig? Wer trifft diese Entscheidung? Was heißt in diesem Zusammenhang geistig oder körperlich behindert? Wer stellt das fest? Bei welchem Grad der Behinderung wird das Kind dem FD Soziales zugeordnet? Was ändert sich für das Kind?

 

 

 

 

Sein zweiter Fragenbereich betrifft den betreuten Umgang. Er möchte wissen, woher die betreuenden Personen Informationen zum Kind erhalten, um z. B. zu erfahren, ob die Eltern oder Großeltern Kontakt zum Kind haben dürfen.

 

Frau Watteroth bezieht sich auf einen am 18.04.2018 erlassenen Arbeitshinweis der Sozialagentur des Landes Sachsen-Anhalt in Umsetzung des § 54 SGB XII, der die Möglichkeit eröffnet, dass auch körperlich und geistig behinderte Kinder und junge Menschen in eine Pflegefamilie aufwachsen können. Dem FD Jugend wurde aufgetragen, alle Fälle dem FD Soziales anzuzeigen, da dieser nun sachlich zuständig war. Die Feststellung der Behinderung erfolgt durch Gutachten vom SPZ bzw. von Ärzten. Ist der IQ geringer als 69/70, manche sagen auch 74, erfolgen die Sicherung des Lebensunterhaltes und die Übernahme der Kosten der Erziehung durch den FD Soziales. Finanziell dürften sich die Pflegeeltern nicht schlechter stellen. Da der Hilfebedarf fortbesteht, erfolgt die Betreuung der Pflegefamilie weiterhin durch den Pflegekinderdienst mit der Einschränkung, dass vom FD Jugend keine Hilfepläne mehr geschrieben werden. Der FD Soziales muss Gesamtpläne erstellen. Sie weiß allerdings zu berichten, dass der FD Soziales in Haldensleben bisher keine Pläne aufgestellt hat.

 

Frau Watteroth erklärt, wenn der begleitete Umgang durch den Pflegekinderdienst organisiert wird, auch den Mitarbeitern, die den Umgang begleiten, die Problematik geschildert wird. Es wird auch über die Frequenz und die Wochentage gesprochen. Herr Jakob bestätigt, dass z. B. mit dem Kinderschutzbund abgesprochen wird, in welchen Abständen z. B. die Großeltern dabei sein sollten.

 

Herr Zacke bezieht sich auf den Antrag von Herrn Czernitzki, der auch von Herrn Rabe unterstützt wird, und stellt die Erweiterung des Rederechts auf die anwesenden Pflegeeltern zur Abstimmung. Mehrheitlich, mit einer Stimmenthaltung, wird dem zugestimmt.

 

Frau Kopf macht deutlich, dass sie aus Liebe zum Kind zwei Dauerpflegekinder hat und möchte wissen, wie die weitere Begleitung behinderter Pflegekinder vom FD Jugend aussieht. Es wurde ihnen gesagt, das würde dem FD Jugend nichts mehr angehen. Sie wünschen sich den FD Jugend in bestimmten Situationen weiter an ihrer Seite. Herr Kopf bemängelt, dass keine Hilfeplangespräche mehr stattfinden, die für die Entwicklung des Kindes absolut notwendig sind. Auch schildert er die eingeschränkten Möglichkeiten am Standort Oschersleben hinsichtlich der Umgänge. Das zur Verfügung stehende Zimmer im Landratsamt, was auch nur zu den Öffnungszeiten der Behörde zur Verfügung steht, ist für ihn nicht empfehlenswert.

 

Herr Jakob erklärt, dass die Kinder, die dem SGB XII-Bereich zugeordnet sind, durchaus noch Beratungsanspruch im Pflegekinderdienst haben. Das wird sich auch im Bereich Oschersleben jetzt zunehmend verbessern. Auch stellt er in Aussicht, dass hinsichtlich der Aufstellung von Gesamthilfeplänen im Fachdienst Soziales in naher Zukunft etwas passieren wird.

 

Herr Zacke verweist auf das von Frau Schünemann Gesagte zur angedachten Anmietung einer Wohnung für Umgänge am Standort Oschersleben.

Frau Watteroth rät Herrn Kopf, sich als Partner des Fachdienstes Jugend nicht kleinmachen zu lassen. Die Uhrzeit, die Häufigkeit und der Ort der Umgänge kann nicht verfügt, sondern nur vereinbart werden. Er sollte sich dazu in Hilfeplangesprächen äußern.

 

 

 

 

 

 

 

Frau Jutta Volkhammer, 1. Vorsitzende des Landesverbandes für Pflege- und Adoptiveltern im Land Sachsen-Anhalt e. V., möchte wissen, wie das Verhältnis von Pflegekindern zu Heimkindern im Landkreis Börde ist, da in anderen Kreisen immer mehr Kinder in Heimen untergebracht werden, weil nicht genügend Pflegeeltern zur Verfügung stehen, und ob sich durch den beneidenswerten Beihilfekatalog mehr Pflegeeltern gemeldet haben.

 

Herr Melzer erklärt, dass durch die geschilderte personelle Situation noch nicht groß in die Werbung von Pflegeeltern gegangen wurde. Frau Watterroth berichtet, dass zurzeit nicht so viele Pflegeeltern zur Verfügung stehen, um alle Bedarfe der Kinder abzudecken.

Frau Volkhammer verweist darauf, dass Pflegeeltern, die zufrieden sind, die beste Werbung darstellen. Herr Wendt wird Frau Volkhammer die Zahlen zum Verhältnis Pflegekinder/Heimkinder zuarbeiten.

 

Herr Czernitzki sieht es als wichtig an, dass der Pflegekinderdienst thematisiert wurde, um zu erfahren, wo die Probleme liegen und woran gearbeitet wird. Letztendlich glaubt er, dass alle Beteiligten gewillt sind, im Interesse der Kinder das Beste herauszuholen. Auch Frau Schünemann ist dankbar für das Thema und den Besuch von Herrn Czernitzki im Kinderschutzbund, um sich vor Ort zu informieren.

 

Herr Kopf führt die schlechte Erreichbarkeit des Pflegekinderdienst und  der Amtsvormünder in Oschersleben an den Sprechtagen (auch telefonisch) an. Er möchte wissen, ab wann eine Verbesserung zu erwarten ist.

Herr Melzer erklärt, dass seit dem 01.03.2018 Frau Röhlig in Oschersleben durch Frau Gödicke mit einer Vollzeitstelle unterstützt wird.

Frau Watteroth verweist auf einen Brief an die Pflegeeltern, in dem mitgeteilt wurde, dass der Pflegekinderdienst nicht mehr an die Sprechzeiten gebunden ist, um auch an diesen Tagen in den Außendienst fahren zu können. Es wird empfohlen, telefonisch einen Termin zu vereinbaren. Sie verweist darauf, dass über die Rettungsleitstelle der Bereitschaftsdienst des Fachdienstes Jugend erreicht werden kann.

 

Es gibt keine weiteren Anfragen. Herr Zacke bedankt sich bei den Pflegeeltern für die Schilderung ihrer Eindrücke.